Emanuel Gat: Meine persönliche Antwort auf die »Wesendonck-Lieder« und »Die Kunst und die Revolution«
Für die Neukreation »Träume« hat sich der französisch-israelische Choreograph Emanuel Gat von Richard Wagners »Wesendonck-Liedern« zu einem Stück mit 14 Tänzerinnen und Tänzern inspirieren lassen. Die fünf berühmten Gedichte kombiniert Gat mit Ausschnitten aus Wagners Essay »Die Kunst und die Revolution«. Hier schreibt der Künstler über die beiden faszinierenden Inspirationsquellen.
»Wesendonck-Lieder«: Höhste Verklärung und Weihe
Wagner war ein begeisterter Anhänger der Revolutionen von 1848 und hatte sich aktiv an der Dresdner Revolution von 1849 beteiligt, in deren Folge er viele Jahre im deutschen Exil leben musste. »Die Kunst und die Revolution« gehört zu einer Gruppe von polemischen Artikeln, die er in seinem Exil veröffentlichte und die dazu beitrugen, Wagner als kompromisslosen und/oder exzentrischen radikalen Idealisten zu charakterisieren.
In dieser Zeit des Wandels und der Unruhen entwickelten sich auch die Bedingungen, unter denen Richard Wagner seine »Wesendonck-Lieder« (WWV 91, Fünf Gedichte für eine Frauenstimme) komponierte. Im Mai 1849 beendete der Sturz der provisorischen Regierung, die den Dresdner Aufstand anführte, Wagners revolutionäre Aktivitäten. Er war gezwungen zu fliehen und landete in Zürich, wo er die Unterstützung von Freunden suchte. Die Lieder sind Vertonungen von Gedichten Mathilde Wesendoncks, der Frau von Otto Wesendonck, eines Mäzens Richard Wagners. Otto Wesendonck erlaubte Wagner und dessen Frau Minna, ein Häuschen auf dem Gelände zu beziehen. Die unmittelbare Nähe zu Mathilde Wesendonck veranlasste Wagner, sich jeden Abend aus ihrem Werk vorzulesen zu lassen.
Diese intensive Interaktion mit dem Dichter und Komponisten inspirierte Mathilde dazu, fünf leidenschaftliche Gedichte zu verfassen, die Wagner für Gesang und Klavier vertonte. Mathilde schrieb später in ihren Memoiren, dass er jedes ihrer Gedichte nach ihrer Fertigstellung nahm und ihnen eine »höchste Verklärung und Weihe« durch seine Musik verlieh.
»Die Kunst und die Revolution«: Extrem und utopisch
»Die Kunst und die Revolution« schrieb Wagner innerhalb von zwei Wochen in Paris und schickte es an eine französische politische Zeitschrift, den »National«. Diese lehnte den Artikel jedoch ab. Schließlich wurde er 1849 in Leipzig veröffentlicht.
»Die modernen Veränderungen in der Gesellschaft haben zu der Katastrophe geführt, dass die Kunst ihre Seele und ihren Körper an eine weit schlimmere Geliebte verkauft hat – den Kommerz [...] Es gibt sogar viele unserer populärsten Künstler, die nicht im Geringsten verbergen, dass sie keinen anderen Ehrgeiz haben, als dieses seichte Publikum zu befriedigen. Sie sind weise in ihrer Generation; denn wenn der Fürst ein schweres Abendessen, der Bankier eine ermüdende Finanzoperation, der Arbeiter einen müden Arbeitstag hinter sich haben, gehen sie ins Theater: sie verlangen nach Ruhe, Ablenkung und Vergnügen, und sind nicht in der Stimmung für erneute Anstrengung und neuen Kraftaufwand. Dieses Argument ist so überzeugend, dass wir nur sagen können: Es wäre anständiger, zu diesem Zweck irgendein anderes Ding in der weiten Welt zu verwenden, aber nicht den Körper und die Seele der Kunst.«
Dieser provokante, etwas extreme und utopische Text könnte einen Einblick in den Geisteszustand des Künstlers zu dieser Zeit geben, kurz bevor er sich an die Schaffung einiger seiner vollendetsten Werke machte.