»Aus der Wunde, die nie heilen wird, kann eine Art Freude entstehen.«

Die Osterfestspiele Salzburg präsentieren 2025 die neueste Kreation von Angelin Preljocaj: Mit »Requiem(s)« bringt der französische Choreograph erstmals sein Ballet Preljocaj nach Salzburg.

© Julien Bengel

Wie kamen Sie zum Thema Trauer?

Angelin Preljocaj: 2023 habe ich meinen Vater, meine Mutter und einige sehr enge Freunde verloren. Das hat in mir ein uraltes und tiefes Verlangen geweckt, die mit dem Verlust eines geliebten Menschen verbundenen Gefühle zu choreografieren. In »Die elementaren Formen des religiösen Lebens« zeigt der Soziologe Émile Durkheim, wie Zivilisationen durch Rituale des Gedenkens Gestalt annehmen. Das Requiem ist Teil dieser Abstammung und dieser Strukturierung unserer Gesellschaft, unserer Gemeinschaft.

Was möchten Sie mitteilen?

Angelin Preljocaj: Ich möchte all diese Emotionen erforschen, die uns durchströmen, wenn wir trauern. Es geht nicht nur um Traurigkeit oder Verzweiflung. Da ist auch die Erinnerung, die Spur des geliebten Menschen, die in uns weiterlebt. Wenn wir zu einer Beerdigung gehen, schwelgen wir in Erinnerungen, tauschen Gedanken aus, und manchmal lachen wir sogar. Aus der Wunde, die nie heilen wird, kann eine Art Freude entstehen, die Freude, die Erinnerung an den Menschen, den wir verloren haben, wieder aufleben zu lassen. Der Tod kann auf diese Weise auch Erleichterung bringen und dem Leben zusätzliche Tiefe verleihen. Ich möchte versuchen, das Gefühl zu vermitteln, dass das Leben ein Wunder ist, gewissermaßen eine Feier des Lebens.

Welche Autoren haben Sie für diese Kreation herangezogen?

Angelin Preljocaj: Roland Barthes und sein Trauertagebuch, Gilles Deleuze und sein »Abécédaire« vor allem - über die Schande, ein Mensch zu sein, die Primo Levi erlebte, als er aus den Lagern zurückkam. Aber auch die Freude von Nietzsche, die er als tragisch bezeichnet, die des Pfarrers Louis Pernot oder des Philosophen Clément Rosset, für den die Freude eine größere Kraft ist, die sowohl die negativen Aspekte der Existenz als auch deren Gegenmittel enthält. All diese Inspirationsquellen haben mich zum Nachdenken und Fühlen angeregt und werden auf der Bühne auf diffuse Weise präsent sein...

»Requiem(s)« © Didier Philispart

»Ich möchte versuchen, das Gefühl zu vermitteln, dass das Leben ein Wunder ist, gewissermaßen eine Feier des Lebens.«

Wie setzen Sie diese Gefühle in der Choreografie um?

Angelin Preljocaj: Bei der Kreation geht es für mich nicht darum, einen vordefinierten Plan umzusetzen. Es geht darum, sich im Dialog mit den Tänzern mit dem Material auseinanderzusetzen, um ungewöhnliche Wege zu finden. Wie kann man diese wortlose Sprache der Trauer sprechen und diese komplexen Gefühle sichtbar machen? Das choreografische Schreiben ist eine universelle Sprache, die Dinge ausdrückt, die Worte nicht ausdrücken können.

Warum »Requiem(s)« im Plural?

Angelin Preljocaj: Ich wollte nicht „das“ Requiem von Mozart, Fauré oder Ligeti choreografieren, sondern eine heterogene musikalische Textur vorschlagen und sie mit Klangkreationen ergänzen. Es ist eher ein choreografisches Requiem, eine Prozession von Körpern, die versuchen, das Mosaik der Gefühle nach einem Verlust ins rechte Licht zu rücken.