»Wenn die Qualität stimmt, braucht man keine unnötigen Experimente«

Am Pult des Orchesterkonzert II steht Jakub Hrůša, Erster Gastdirigent der Santa Cecilia, designierter Musikdirektor des Royal Opera House Covent Garden und einer der spannendsten Dirigenten unserer Zeit. Im Interview erzählt er über seinen Bezug zu Italien, über Helden der klassischen Musik und welcher Aperitif zum Konzert nicht fehlen darf.

Jakub Hrůša © Marian Lenhard

Die Osterfestspiele Salzburg 2024 stehen ganz im Zeichen von Italien. Was bedeutet dieses Land für Sie? Und was hat es mit dem Programm des Orchesterkonzert II, das Sie dirigieren werden, zu tun?

Jakub Hrůša: Ich habe Italien schon immer als einen Ort mit großartigen kulturellen Traditionen und als ein Land geliebt, in dem man wirklich schön leben kann. Und ich habe schon immer viele Reisen dorthin unternommen. In den letzten Jahren wurde meine Begegnung mit Italien vor allem durch meine längere Tätigkeit als Erster Gastdirigent der Accademia Nazionale di Santa Cecilia und somit auch durch die Stadt Rom geprägt. Ich hatte das Gefühl, dass dieser Ort – zumindest für diesen Lebensabschnitt – kulturell zu einer weiteren Heimat für mich geworden ist. Das Programm, das wir in Salzburg gemeinsam spielen, ist ganz von Italien inspiriert – die Titel »Le carnaval romain«, »Les Fresques de Piero della Francesca« und »Harold en Italie« sprechen eine deutliche Sprache.

Sie sind der Erste Gastdirigent der Accademia Nazionale di Santa Cecilia. Wie ist Ihre Beziehung zum Orchester und wie ist es, in Salzburg aufzutreten?

Jakub Hrůša: Ich bin sehr glücklich darüber. Wir realisieren schon seit einiger Zeit gemeinsam mehrere Projekte im Jahr, hatten aber noch keine Gelegenheit, außerhalb von Rom miteinander zu spielen. Die einzige Reise, die wir in dieser Hinsicht unternommen haben, war Anfang des Jahres nach Spoleto, und unser tolles Janáček-Programm wurde wegen schlechtem Wetter abgesagt. Daher bin ich sehr froh, dass wir dieses Jahr endlich auf Tournee gehen können. Zuerst nach Salzburg, später in der Saison gehen wir an andere Orte wie Hamburg oder Prag. Und ich bin auch froh, dass der Salzburger Veranstaltungsort ein Dach hat!

Wonach klingt Italien? Wie würden Sie das beschreiben?

Jakub Hrůša: Da liegt eine enorme Energie darin; mit großer Helligkeit und einem lebendigen Prickeln in der Resonanz.

Hector Berlioz ist vor allem bekannt als Komponist »großer« Werke wie der »Symphonie fantastique« oder der Oper »Les Troyens«. Passen die beiden gespielten Werke in diese Reihe? Und wie sehen Sie seine Sicht auf Italien?

Jakub Hrůša: Oh, »Harold en Italie« ist super toll! Es ist einzigartig und außergewöhnlich und »Le carneval romain« – ich liebe dieses Stück. Es macht Spaß, dieses Werk zu spielen und es ist meisterhaft komponiert. Ich finde diese Kombination der beiden Werke von Berlioz ideal. Ich möchte immer noch mehr Musik von ihm machen – er war einer dieser Menschen in der Geschichte der Musik und der Kunst im Allgemeinen, die wirklich genial waren. Verrückt, aber unwiederholbar, unersetzlich. Unter den französischen Komponisten ist er für mich eine zentrale Figur.

Die Musik Bohuslav Martinů findet sich sehr selten auf internationalen Spielplänen. Warum haben Sie die »Fresques de Piero della Francesca« in das Programm aufgenommen?

Jakub Hrůša: Das ist gar nicht so selten. Sagen Sie mir: Wie viel von der Musik aus Martinůs Zeit lebt heute in den Konzertsälen? Da geht es Martinů sehr gut! Vergleichen Sie sein Oeuvre mit dem von Hindemith, Honegger, Tippett oder Copland. Das Stück steht in unserem Programm, weil es das wesentlichste Stück von ihm ist, das ausdrücklich von Italien inspiriert ist – konkret von Pieros Fresken in Arezzo. Das Orchester und ich haben immer das sogenannte Hauptrepertoire mit Entdeckungen von Stücken kombiniert, von denen ich zu 100% weiß, dass sie von höchster Qualität sind. Auf diese Weise haben wir ganz erstaunliche Dinge entdeckt - wie dieses Stück von Martinů.

Der israelische Bratschist Pinchas Zukerman, der sein Debüt bei der Accademia Nazionale di Santa Cecilia gibt, wird den Solopart in »Harold en Italie« spielen. Was bedeutet diese Zusammenarbeit für Sie?

Jakub Hrůša: Pinchas Zukerman ist für mich einer der Helden der klassischen Musikszene. Wir haben noch nie zusammen gearbeitet. Ich fühle mich geehrt, ihn persönlich kennenzulernen und gemeinsam mit ihm und unserem Orchester diese Musik zu entdecken.

Wenn Sie mit Bohuslav Martinů und Hector Berlioz einen Abend in Salzburg verbringen könnten, was würden Sie mit Ihnen machen?

Jakub Hrůša: Natürlich würden wir etwas gutes Essen und Trinken gehen, und ich würde ihnen alle Fragen stellen, die ich über ihre Musik habe. Aber ich würde es getrennt tun – ich bin nicht sicher, ob sie gut zusammenpassen würden. Sie sprachen beide Französisch, aber Martinů war eher schüchtern. Berlioz hingegen war ein reiner Exzentriker. Ich würde die Debatte zwischen diesen beiden nicht moderieren wollen. Aber beide faszinieren mich sehr – wenn es also keinen anderen Weg gäbe als gemeinsam, würde ich es tun!

Was wäre ein guter Aperitif zum Konzert?

Jakub Hrůša: Ich würde mich für einen italienischen Schaumwein entscheiden. Wenn die Qualität stimmt, braucht man keine unnötigen Experimente.