Orchesterkonzert I: Der alte Zorn

Es schien, als laste ein Fluch auf dem jüngsten Orchesterwerk der Gewandhauskomponistin Sofia Gubaidulina. Darf man ungestraft »Der Zorn Gottes« über ein Musikstück schreiben?

Sofia Gubaidulina

Und es dann auch noch »dem großen Beethoven« widmen? Ein ums andere Mal mussten Uraufführungstermine verschoben werden, weil die streng gläubige, gewissenhafte Künstlerin noch mit den Tönen rang und Pandemiewellen über die Menschheit hereinbrachen. Die Premiere fand schließlich – ohne Publikum – in Wien statt. Mittlerweile hat das Gewandhausorchester den »Zorn Gottes« auf Tonträger gebannt. Doch was wird geschehen, wenn diese gewaltige Musik uns live heimsucht, wenn der »Zorn Gottes« ohne mäßigenden Lautstärkeregler wütet ...?

Der neue Bund

In Anton Bruckner findet Gubaidulina einen vorzeitigen Geistesgenossen, einen gottesfürchtigen Mystiker mit Sinn für erhabene Momente, für heilige Handlungen, für ausgeklügelte Zahlenordnungen, für leises Raunen am Rande des Nichts, für atemberaubende Steigerungen und allgewaltige Klangorgien. Seine Siebte, vom Gewandhausorchester unter Nikisch uraufgeführt und seitdem unverzichtbar auf dem Leipziger Spielpan, wird wirken wie nie. Neue Bedeutung wird dem beliebten Werk zuwachsen. Nachdem sich Gottes Zorn entladen hat, sendet es tönende Zeichen der Versöhnung.

(Text: Ann-Katrin Zimmermann)