Überzeitliche Erzählung

Sasha Waltz widmet sich bei den Osterfestspielen 2024 mit der Johannes-Passion (BWV 245) von Johann Sebastian Bach erstmals einem religiös konnotierten Musikwerk.

Sasha Waltz © Herlinde Koelbl

Die aus Karlsruhe stammende Künstlerin inszeniert mit ihrer Choreographie die Johannes-Passion als überzeitliche Erzählung über die menschliche Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit jenseits ihrer religiösen Implikation.

Bach komponierte das Werk 1724 am Anfang eben jenes Jahrhunderts, an dessen Ende »die Bestrafung […] aufgehört [hat], ein Schauspiel zu sein« (Michel Foucault: »Überwachen und Strafen«). Während bei Bach der Mythos der christlichen Passion noch in seiner ganzen Brutalität musikalisch inszeniert wird, verschwindet in den westlichen Gesellschaften allmählich »der Körper als Hauptzielscheibe der strafenden Repression« und hört dennoch nicht auf: trotz der »Lockerung des Zugriffs auf den Körper«, »geht es doch immer um den Körper und seine Kräfte, um deren Nützlichkeit und Gelehrigkeit, um deren Anordnung und Unterwerfung«.

Probenfoto zu »Johannes Passion« © Sebastian Bolesch

Suche nach Gerechtigkeit

Die choreographische Arbeit von Sasha Waltz auf die Verstrickungen von Leid und Hoffnung, Gewalt und Aufbegehren in der Johannes-Passion zeigen dabei auf, wie unsere Körper auch heute noch Oberflächen bilden, in die sich das (Un)Recht einschreibt und ausdrückt, wie die Position – das Recht, rechts, die Richtung – im Raum nach wie vor Ausdruck unserer Suche nach Gerechtigkeit sind. Nicht nur die universelle Sprache von Bachs Musik, sondern auch die des Tanzes kann in Zeiten der ökonomischen und politischen Krisen Brücken bauen und Hoffnung geben. In diesem Sinne bringt Sasha Waltz in ihrer »Johannes-Passion« 10 Tänzerinnen und Tänzer, den Chor, das Sängerensemble sowie das Orchester gemeinsam auf der Bühne in Bewegung.