Die junge, norwegische Dirigentin Tabita Berglund gestaltet bei den Osterfestspielen 2025 gemeinsam mit Sondra Radvanovsky, SeokJong Baek und Simon Keenlyside eine Operngala mit Werken von Verdi über Girodano bis Tschaikowski. Erfahren Sie mehr über die Künstlerin im Interview.
Welche Erwartungen haben Sie an die Salzburger Osterfestspiele?
Tabita Berglund: Ich habe natürlich schon viel über diese Stadt gehört - es ist das Epizentrum der klassischen Musik, also sind meine Erwartungen allein schon deshalb enorm. Ich hatte viele Lehrer, die in Salzburg studiert haben - viele der arrivierten norwegischen Musiker von dieser Stadt beeinflusst, deshalb bin ich sehr gespannt.
Das Thema des Festivals lautet »Wunden und Wunder«. Wunden sind ja in der Opernliteratur allgegenwärtig - vor allem in Stücken wie »Macbeth« oder »Andrea Chénier«. Gibt es Wunder in der Auswahl des Konzerts?
Tabita Berglund: Ah ja, viele, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Ich kann nicht ein einzelnes Stück auswählen, das ist einfach nicht möglich: Das ist Musik mit so viel Tragik und Leidenschaft, dass ich fürchte, das Publikum muss die Wahl der Favoriten selber treffen.
Wir werden Arien und Duette hören, die aus der dramatischen Erzählung herausgerissen für sich allein stehen müssen. Warum glauben Sie, dass sie trotzdem eine Wirkung auf das Publikum haben werden?
Tabita Berglund: Was Oper so interessant macht, ist, dass eine wirklich gute Arie oder ein wirklich gutes Duett die Essenz der Emotion einfängt. Und das kommt durch, egal ob im Kontext des gesamten Stücks oder wenn man nur diese einen Ausschnitt hört. Ich würde dem Publikum allerdings empfehlen, trotzdem vorab die Hintergrundgeschichten zu lesen, obwohl ich überzeugt bin, dass eine gut geschriebene Opernarie ein Juwel ist, das immer glänzt, egal in welcher musikalischen Umgebung.
Welchen Komponisten des Programms würden Sie gerne mal auf einen Drink treffen und warum?
Tabita Berglund: Oh. Tschaikowski, Tschaikowski, Tschaikowski! Er ist einer meiner Lieblingskomponisten, gewissermaßen der ersten Komponist, in den ich mich musikalisch verliebt habe. Er öffnete mir die Ohren für eine andere Welt und ich erinnere mich noch genau daran, wie ich als Cellistin die Symphonien im Orchester spielte, oder die Rokoko-Variationen. Das war einfach ein ganz neues Erlebnis für mich, das mir auch das gesamte russische Repertoire eröffnete. Ich würde also wirklich gerne mit ihm etwas trinken gehen und alle die Geheimnisse um seine Person ergründen.
Was ist Ihr Plan für die Zukunft? Folgt auf Sibelius vielleicht Bruckner?
Tabita Berglund: Nein, Bruckner ist nicht mein Mann. Ich spiele viel nordisches Repertoire, aber ich möchte natürlich auch andere Bereiche erkunden. Als ich jünger war, war ich 15 Jahre lang eine Ballerina. Ich habe klassisches Ballett getanzt, seit ich vier Jahre alt war, daher liegt mir die Tanzmusik sehr am Herzen. Nicht nur Ballettmusik, sondern jede Musik, die etwas in einem zum Tanzen anregt. Ich tauche also mehr und mehr in diese Art von Repertoire ein, und es macht mir großen Spaß.
Warum haben Sie Ihren Plan geändert und sind vom Tanzen zum Erzeugen von Musik übergegangen?
Tabita Berglund: Ich bewege meinen Körper ja immer noch zur Musik! Dirigieren ist wirklich ein Privileg ist, weil man sich nicht nur zur Musik bewegen, sondern die Musik mitgestalten kann. Aber was hat mich zum Wechsel bewogen? Ich wollte nie eine professionelle Ballerina werden, weil man mit 35 Jahren in Rente geht, und als Dirigent geht man nie in Rente, man kann arbeiten, bis man umfällt. (Lacht) Ich habe das Gefühl, dass ich alles, was ich durch das Cellospiel, die Kammermusik, das Orchester und den Tanz gelernt habe, in das Dirigieren einbringen kann. Es geht also wirklich nur darum, alle losen Enden zu verknüpfen.
Wir treffen Sie hier im Wiener Musikverein, einer der begehrtesten Konzertsäle der Welt. Ihre Karriere im symphonischen Bereich ist beindruckend - Oper findet sich eher selten in Ihrem Kalender, warum?
Tabita Berglund: Ich bin mit Kammermusik, Kammerorchester und Symphonieorchester aufgewachsen, daher war der logische Weg eine Ausbildung in diesem Bereich. Auch der Übergang vom Beruf der Cellistin zum Dirigieren war ganz natürlich, und zwar im symphonischen Repertoire. Vielleicht werde ich mehr Opern dirigieren. Ich weiß es nicht, wir werden sehen ...