Sir Antonio Pappano über den italienischen Geist, der nicht nur ihn, sondern auch viele Komponisten geprägt hat.
Italien war und ist das Sehnsuchtsland vieler Künstlerinnen und Künstler, das unzählige Werke aus Malerei, Literatur und nicht zuletzt Musik inspiriert hat. Welche Beziehung haben Sie zu Italien?
Antonio Pappano: Ich bin zwar in London geboren, aber meine Eltern stammen aus Süditalien. Nicht nur durch meine 18-jährige Zusammenarbeit mit Orchester und Chor der Accademia Nazionale di Santa Cecilia empfinde ich eine tiefe Verbundenheit mit diesem Land, sondern auch durch meine familiären Wurzeln. Deshalb ist es für mich ein ganz besonderer Höhepunkt, mit meinem Orchester und mit italienischer Musik nun nach Salzburg zu kommen.
Was macht die Messa da Requiem so besonders in Verdis Schaffen und überhaupt in der italienischen Musik?
Antonio Pappano: Wenn man böse sein will, könnte man sagen: Das Requiem ist eine weitere Oper von Verdi. Es ist aber viel mehr. Obwohl Verdi ein sehr zwiespältiges Verhältnis zur katholischen Kirche hatte und der Kirche als Institution sehr kritisch gegenüberstand, hat man den Eindruck, dass er den Text der Requiem-Messe tief in sich drinnen spürte. Auch wenn das Werk durchaus theatralisch ist, so ist es doch eine sehr menschliche Reaktion auf einen hoch emotionalen und dramatischen Text. Es ist voller Theatralik und zugleich voller Spiritualität. Deshalb denke ich, dass in dieser Musik mehr Persönliches von Verdi steckt, als in allen seinen Opern.
In Ihrem Orchesterkonzert mit der Accademia di Santa Cecilia präsentieren Sie symphonische Werke italienischer Komponisten. Welche Dramaturgie steckt hinter diesem Programm?
Antonio Pappano: Die beiden Tondichtungen »Pini di Roma« und »Fontane di Roma« von Ottorino Respighi sind in den 1920er Jahren für die Accademia di Santa Cecilia geschrieben worden. Diese Stücke sind quasi unsere Visitenkarte. Sie evozieren auf sehr plastische und atmosphärische Weise bestimmte Orte in Rom und Stimmungen zu verschiedenen Tageszeiten.
Daneben wollte ich als Ergänzung zur Opernproduktion von »La Gioconda« unbedingt Ponchiellis »Elegia« präsentieren. Es ist ein sehr trauriges Stück, das von »Tristan und Isolde« inspiriert ist. Man hört dieses Werk so gut wie nie, aber ich liebe es sehr.
Den Kontrast dazu bildet »Juventus« von Victor de Sabata. Damit schlagen wir in gewisser Weise auch eine Brücke zu Salzburg, da das Stück stark von Richard Strauss beeinflusst ist. Durch Dunkelheit und Melancholie brechen hier schließlich neue Freude und jugendliche Frische hindurch. Und zu Beginn spielen wir Luigi Boccherinis »La ritirata notturna di Madrid« in einer Bearbeitung von Luciano Berio. Das ist ein wunderbarer Aperitif zu diesem Konzert.
Waren Sie beim zweiten Orchesterkonzert, das von Jakub Hrůša dirigiert wird, auch in die Programmgestaltung involviert?
Antonio Pappano: Dieses Programm hat Jakub Hrůša, der erste Gastdirigent der Accademia di Santa Cecilia, zusammengestellt. Hier geht es nicht um italienische Musik, sondern um Musik, die von Italien inspiriert ist. Etwa Berlioz‘ »Le carnaval romain« oder »Harold en Italie«. In beiden Stücken steckt die für Berlioz typische elektrisierende Klangsprache und zugleich das Ambiente Italiens.
Demgegenüber bezieht sich Bohuslav Martinů auf die italienische Kunst. In seinen »Fresques de Piero della Francesca« hat er auf magische Art und Weise drei Bilder dieses Renaissance-Malers in Musik übersetzt.
Was macht für Sie die symphonische Musik, die sich mit Italien beschäftigt aus?
Antonio Pappano: Wenn ich über Italien und italienische Musik spreche, muss ich immer über Bilder und Sinneseindrücke sprechen. Italien ist was für die Augen und die Ohren. Man kann Italien schmecken, riechen, träumen. Das ist für mich die Identität Italiens, und genau das haben viele Komponisten in ihrer Musik zum Ausdruck gebracht – Italiener und Nicht-Italiener.