Der Dirigent Esa-Pekka Salonen wird die Osterfestspiele Salzburg 2025 gemeinsam mit dem Finnish Radio Symphony Orchestra prägen - im Zentrum steht eine Neuinszenierung von Modest Mussorgskis monumentaler Oper »Chowanschtschina«. Im Interview spricht der gebürtige Finne über die Aktualität des russischen Komponisten und eine komplizierte Nachbarschaft.
Welche persönliche Beziehung haben Sie zu Modest Mussorgskis monumentalem Volksdrama »Chowanschtschina«?
Esa-Pekka Salonen: »Chowanschtschina« steht seit vielen Jahren auf meiner Liste mit den 20 Stücken, die ich unbedingt einmal machen möchte. Als ich jung war und mich noch nicht wirklich als Operndirigent sah, machte ich eine Liste mit Werken, die mich faszinierten, und arbeitete diese Liste langsam ab. »Chowanschtschina« stand da sehr weit oben, und nun ist es nach einigen Jahrzehnten endlich soweit.
Was macht diese Oper für die heutige Zeit relevant?
Esa-Pekka Salonen: »Chowanschtschina« ist ein sehr besonderes Stück. Wenn man im Text einige Namen ändern würde, ginge es um ganz aktuelle Ereignisse. Mir fällt keine andere Oper ein, in der das so deutlich wäre.
Mussorgski hat »Chowanschtschina« unvollendet hinterlassen, und es existieren verschiedene Fassungen dieser Oper. Welche wird in Salzburg gespielt?
Esa-Pekka Salonen: Diese Oper hat, wie Mussorgskis Musik überhaupt, eine sehr spezielle Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte. Mussorgski hat das Stück nicht selbst orchestriert. Die erste Fassung, die zur Uraufführung kam, stammt von Nikolai Rimski-Korsakow, der die eigentliche Komposition irgendwie »verbessern« wollte. Wir nehmen für unsere Aufführung jedoch die Fassung von Dmitri Schostakowitsch als Ausgangspunkt, möchten aber auch das Finale von Igor Strawinsky spielen. Es soll eine dramaturgische Brücke geschlagen werden zwischen Marfas letzten Worten aus der ursprünglichen Fassung und dem wunderbaren Ende von Strawinsky.
Die Inszenierung stammt von Simon McBurney, dessen seltene Opernarbeiten vom internationalen Publikum mit Spannung erwartet werden. Sie arbeiten nicht zum ersten Mal mit dem Regisseur und Schauspieler. Was reizt Sie an dieser erneuten Zusammenarbeit?
Esa-Pekka Salonen: Simon ist heute einer der interessantesten Regisseure überhaupt. Ich habe vor vielen Jahren in Los Angeles ein Stück von ihm gesehen, das die Streichquartette von Schostakowitsch als Grundlage hatte, und war begeistert. Deshalb habe ich 2003 zur Eröffnung der Walt Disney Concert Hall eine Produktion bei ihm in Auftrag gegeben. Es war aber immer mein Wunsch, eine richtige Opernproduktion zusammen mit ihm zu machen, und es freut mich sehr, dass dies nun zustande kommt. Außerdem ist sein Bruder Gerard, der Dramaturg unserer Produktion, ein großer Russland-Spezialist. Er stellt ganz genaue kulturelle und historische Bezüge her. Das ist künstlerisch und intellektuell sehr inspirierend.
Mit dem Finnish Radio Symphony Orchestra verbindet Sie eine langjährige Geschichte.
Esa-Pekka Salonen: Ja, es ist das erste professionelle Orchester, das ich jemals dirigiert habe. Ich glaube, damals war ich 19 Jahre alt. Das war Teil meines Studienabschlusses an der Sibelius Akademie in Helsinki. Ich war nicht nur von der Qualität dieses Orchesters überwältigt, sondern auch, mit welcher Freundlichkeit mich die Musikerinnen und Musiker unterstützt haben. Ich hatte damals ja noch überhaupt keine Erfahrung im Dirigieren, und sie mussten mir viel helfen. Seitdem kehre ich fast jedes Jahr zum Finnish Radio Symphony Orchestra zurück, habe viele Freunde unter den Musikerinnen und Musikern. Ich bin sehr stolz, dass ich dieses wunderbare Orchester nun zu den Osterfestspielen bringen kann.
Neben »Chowanschtschina« werden Sie das Orchester in Mahlers »Auferstehungssymphonie« dirigieren. Sie werden aber auch ein Stück Finnland präsentieren.
Esa_Pekka Salonen: Im Orchesterkonzert I wird die junge finnische Starcellistin Senja Rummukainen mein Cellokonzert interpretieren, das ich 2017 für Yo-Yo Ma komponiert habe. Danach spielen wir die 2. Symphonie von Jean Sibelius, vielleicht das am häufigsten aufgeführte Werk von ihm. Abgesehen von seiner musikalischen Schönheit wurde dieses Werk zu einem Symbol für die finnische Unabhängigkeit. Im frühen 20. Jahrhundert gehörte Finnland ja noch zu Russland, und es waren sehr schwierige Zeiten in der Geschichte unseres Landes. Für die Finnen stand die 2. Symphonie damals und auch später für die Suche nach einer eigenen Identität und Kultur.